Liegt die Zukunft an der Küste? Um die Chancen und Herausforderungen für die regionale Land-Wirtschaft drehte sich der Neujahrsempfang, zu dem die Kreislandvolkverbände Friesland und Wesermarsch Mitglieder und Gäste aus Politik, Verwaltung, Unternehmen und Verbänden jetzt nach Varel eingeladen hatten. Die inhaltlichen Impulse lieferten Jan Müller, Präsident der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer, und Tom Nietiedt, Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsvereinigung Jade (AWV).
Lars Kaper, Vorsitzender des Kreislandvolkverbands Friesland, ging zunächst auf die enge Verbindung von Wirtschaft und Landwirtschaft ein: „Wirtschaft steckt ja bereits im Wort ,Landwirtschaft‘, und der wirtschaftliche Erfolg ist für unsere Betriebe die Voraussetzung, um weiter bestehen zu können.“ Dazu gehörten auch Faktoren wie Familie, Mitarbeiter und Nachhaltigkeit. Letztere dürfe aber nicht mit „Extensivierung“ übersetzt werden, wie es in der Politik oft geschehe. Hier müsse ein kluger Ausgleich gefunden werden, beispielsweise bei den Plänen zur Moorvernässung oder für die Vogelschutzgebiete.
IHK-Präsident Jan Müller nannte in seinem Impulsvortrag weitere Faktoren für wirtschaftlichen Erfolg, der erforderlich sei, um die Anpassung an den Klimawandel, die Dekarbonisierung der Wirtschaft oder Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit überhaupt bezahlen zu können: „Wir können die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nur erhalten, wenn wir mit Hilfe von Innovationen die Produktivität deutlich steigern.“ Unsere Region sei ein guter Wissenschaftsstandort, aber es komme vor allem darauf an, die guten Ideen auch wirtschaftlich nutzbar zu machen.
Ein weiterer Pluspunkt der Küstenregion sei die Verfügbarkeit von nachhaltiger Energie zu bezahlbaren Kosten. Die Nähe zum Meer trage zu einer sicheren Versorgung mit Rohstoffen bei. Und angesichts einer Weltbevölkerung, die auf die zehn Milliarden zusteuere, habe die Landwirtschaft in der Region weiter eine wichtige Rolle für die Ernährungssicherung.
AWV-Präsident Tom Nietiedt betonte die Notwendigkeit von Innovationen und Investitionen, um zu verhindern, dass Deutschland in die Mittelmäßigkeit abrutsche: „Die Politik muss sich auf allen Ebenen verlässlicher zeigen, Veränderungen mit der Wirtschaft gemeinsam angehen und weniger ideologisch agieren, sondern mehr am Machbaren orientiert sein“, forderte er. Investitionen seien insbesondere in die Verkehrsinfrastruktur erforderlich.
In der anschließenden Diskussion nahmen die beiden Landräte Stephan Siefken aus der Wesermarsch und Sven Ambrosy aus Friesland die angesprochenen Themen auf. „Beim Ausbau der Infrastruktur brauchen wir einen Wechsel im System, was die dafür erforderlichen Ausgleichsflächen angeht“, forderte Stephan Siefken. Wir laufen auf einen Stillstand zu – dann haben wir bald keine Landwirtschaft mehr, und die Wirtschaft kann sich auch nicht mehr entwickeln.“ Statt immer weitere Flächen auszuweisen, müsse die Wertigkeit der vorhandenen Ausgleichsflächen erhöht werden.
„Bürokratie ist Misstrauen in Schriftform“, sprach Sven Ambrosy ein weiteres, oft beklagtes Thema an. „Wir Verwaltungsmitarbeiter leiden mittlerweile genauso darunter wie Wirtschaft und Landwirtschaft.“ Ein Beispiel seien die Vorschriften zum Bau von Kindertagesstätten, in denen selbst die Höhe der Toiletten geregelt seien: „Das heißt doch im Grunde nur, dass man uns nicht zutraut, dass wir vor Ort nicht selbst wissen, was kleine Kinder benötigen.“ Ein gutes Beispiel für gelungene Vereinfachung sei die Niedersächsische Bauordnung, die Vorbild für viele weitere Prozesse werden müsse.
In seinem Schlusswort äußerte Dr. Karsten Padeken, Vorsitzender des Kreislandvolkverbands Wesermarsch, den Wunsch nach größeren Spielräumen für diejenigen, die Vorgaben vor Ort umsetzen müssten, beispielsweise beim Wiesenvogelschutz: „Dann identifizieren wir uns doch auch viel mehr mit der Sache“, gab er zu bedenken.